Bilder eines Lebens

Auch auf Sylt arbeitete Wilfried Täubner an seiner Kubus-Serie. Foto: privat

Wilfried Täubner hat in den 60er-Jahren Konrad Adenauer fotografiert, hat lange an einer Serie von Kubus-Bildern gearbeitet. Vor 20 Jahren starb er an Krebs. Sein Sohn Thomas Täubner widmet ihm eine Ausstellung in seiner Galerie China-Forum.  Von Gisela Schwarz

Kürten. Der Kubus aus Vierkantstahl steht im Wasser, seine Formen zerrinnen im Wellengang. Oder im Sand am Meer. Oder er hat eingelagerte Spiegel, die den Himmel reflektieren. Magisch ziehen die Schwarzweiß-Fotografien von Wilfried Täubner den Betrachter an. Zwei Jahrzehnte hat der Fotograf an dieser Serie gearbeitet – bis zu seinem Tod am 1. April 1994. Trotz der hohen Wertschätzung, die er in der Foto-Szene genoss, ist sein Werk kaum öffentlich präsent. Deshalb widmet ihm sein Sohn, der Sinologe und Kurator Thomas Täubner, im China-Forum Galerie T eine große Ausstellung, die am Sonntag, 18. Mai, eröffnet wird. „Ich möchte einen umrisshaften Überblick über das Lebenswerk präsentieren“, sagt Thomas Täubner und erklärt, dass man mit dem fotografischen Nachlass gleich ein oder zwei Museen füllen könnte. Doch die bisher letzte museale Präsentation von Täubner-Werken fand 1994 postum im Städtischen Museum Gelsenkirchen statt. Unvergessen in der Fotokunstszene ist auch der Werk-Katalog „Fotografische Bilder mit dem Kubus“ von 1993, der mit dem wichtigen Kodak-Fotobuchpreis ausgezeichnet wurde.

„1.4.’14 – Raum und Zeit – Eine reine Anschauung“ ist der Titel der Ausstellung in der Alten Schule in Forsten, dem China-Forum Galerie T. „Er bezieht sich auf das Sterbedatum meines Vaters, der im Jahr 1994 am 1. April, einem Karfreitag, seiner Krebskrankheit erlag“, sagt Sohn Thomas. Außerdem bezieht sich der Titel auf das philosophische Konzept der Kubus-Serie nach Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft: „Der Raum ist kein diskursiver oder, wie man sagt, allgemeiner Begriff von Verhältnissen der Dinge überhaupt, sondern eine reine Anschauung.“



Immer wieder beeindruckend in der Tiefe der philosophischen Aussage sind die Arbeiten, sie wurden belichtet auf Baryt-Papier, das in der Dunkelkammer in großen Wannen entwickelt, fixiert und gewässert wurde. Bis heute weisen die Arbeiten keinerlei Qualitätseinbußen auf. So berühmt war Wilfried Täubner in den 70er-Jahren, dass ihm der Vorstand von Agfa-Gevaert in Leverkusen persönlich eine Extra-Konfektion auf der Rolle anfertigen ließ. Noch heute erinnert sich seine Ehefrau Karin Täubner an die besondere Situation, als die Maschinen bei der Agfa dafür angehalten werden mussten.

Und sie erzählt eine besondere Geschichte aus den Frühzeiten der fotografischen Laufbahn ihres Mannes. In den frühen 60er-Jahren hatten sie als Studenten die Gelegenheit, genau fünf Minuten lang Bundeskanzler Konrad Adenauer in dessen Dienstzimmer im Bonner Palais Schaumburg zu fotografieren. „Wilfried hat ganz ruhig sein Stativ aufgestellt und fotografiert – der Alte hat uns eigentlich nicht wahrgenommen“, erinnert sie sich an die kurze Session im Halbdunkel des Dienstzimmers. Sie habe vor lauter Aufregung kein einziges brauchbares Bild gemacht, ihr Mann aber sehr wohl. „Mit der Arbeit hatten wir das erste Geld auf dem Konto“, erklärt Karin Täubner mit ihrem sanften Lächeln. So gut waren die Ergebnisse, dass sie 1976 unter dem Titel „Zwei Aktionen zum Adenauer-Jahr“ vom Kölnischen Kunstverein präsentiert wurden. Das viele Meter lange Leporello mit dem Konterfei von Konrad Adenauer wird auch in der jetzigen Ausstellung zu sehen sein.


Wilfried Täubner im Jahr 1985 mit der Bildjournalistin Barbara Klemm im Garten der Galerie. Foto: privat

Nach dem Ingenieur-Abschluss an der Staatlichen Höheren Fachschule für Photographie in Köln und der Meisterprüfung 1963 betrieb Täubner in Köln mehrere Studios, arbeitete als Bildjournalist und Werbefotograf, später auch am Bonner Theater. Legendär sind Wilfried Täubners Fotostudien „Die Taktiker“, die Trainer Hennes Weisweiler und andere Fußballgrößen in der Saison 1973/74 zeigen. Täubners frühe Tanzstudien mit Langzeitbelichtungen vor weißem Hintergrund zählen ebenso wie die politischen Fotografien zur Bundestagswahl 1983 und zu Tschernobyl zu den ausgestellten Werken. Besonders die politischen Serien zeigen, dass der Künstler Wilfried Täubner ein engagierter Zeitkritiker war, dem es in erster Linie um die Menschen und die Bedingungen ihrer positiven Entwicklung ging. Von 1975 bis 1977 hatte er nebenbei an der Uni Köln Philosophie, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften studiert. Wilfried Täubner stand in einer Reihe mit den berühmten Bildjournalisten wie Barbara Klemm, Hermann Claasen (Das zerstörte Köln), Chargesheimer, Robert Lebeck, F. C. Gundlach.

1976 hatte er bereits ein zweites Atelier in Rantum auf Sylt eingerichtet, als er ein Jahr später auf seinen Motorradtouren im Bergischen Land die idyllisch gelegene Alte Schule in Kürten-Forsten entdeckte – sie stand bereits seit vier Jahren leer. Aufgeregt kam er nach Hause, verkündete die frohe Botschaft: „Ich hab’ ’ne Schule gekauft.“ Fortan lebte die Familie in Forsten, Wilfried Täubner ging seinen Aufträgen und Kunstfotoserien nach, konnte endlich seinen Traum erfüllen: In den großzügigen Schulsälen präsentierte er legendäre Ausstellungen mit den Arbeiten seiner Kollegen wie Hermann Claasen und Barbara Klemm. Regelmäßig zu Gast waren L. Fritz Gruber, der Vater der Photokina Köln, und Professor Helmut Gernsheim, der die erste Fotografie von Nicéphore Niépce (1765-1833) entdeckt hatte.


Karin, Thomas und Xuemei Täubner (v.l.) bereiten in der Alten Schule die Ausstellung vor. Foto: SCHWARZ

„1.4.’14 – Raum und Zeit – Eine reine Anschauung“, China-Forum – Galerie T, Kürten-Forsten 43, Eröffnung am Sonntag, 18. Mai, 18 Uhr, zu sehen bis 28. Juni nach Vereinbarung unter ☎ 02268/1062.

www.chinaforum-t-galerie.com

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Impressionen einer bizarren Landschaft
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